Montag, 17. August 2009

Velotour durch die Westschweiz, 10.-14. August 2009

Tag 1, 10. August
Jakob und Patrick steuerten am Montagmorgen via Lausanne direkt das Feuchtgebiet Creux-de-Terre bei Chavornay an. Auf den geplanten Besuch der Bienenfresserkolonie bei Cossonay wurde verzichtet, da die Vögel das Brutgeschäft abgeschlossen und die Kiesgrube verlassen zu haben schienen.
Bei relativ starker Bewölkung liessen sich im kleinen Gebiet ein Nachtreiher im 2. Kalenderjahr, ein Drosselrohrsänger, mind. ein Teil des lokalen Purpurreiherpaares, Knäkenten, Schafstelzen und einige Limikolen wie Bruchwasserläufer und Flussregenpfeifer beobachten. Da das Potenzial des relativ kleinen Gebiets bald erschöpft schien, setzten wir unsere Tour fort und radelten nach Yverdon-les-Bains. Auf den dortigen Sandbänken war – trotz der aus Ornithologensicht optimistisch stimmenden Wolken, die über dem Jurakamm hingen – relativ wenig los. Einige Knäkenten, eine leukistische Schnatterente, ein Schwarzhalstaucher, die lokalen Grossen Brachvögeln und eine Rohrweihe im ersten Kalenderjahr stellten die einzigen nennenswerten Beobachtungen dar. Doch bereits an diesem ersten Tag zeigte sich, was sich in den folgenden Tagen noch verdeutlichen würde: in Yverdon wird langes Verharren überdurchschnittlich gut belohnt. Denn in den kommenden Stunden konnten wir im Regenwetter neben bis zu fünf durchziehenden Regenbrachvögeln, drei Alpenstrandläufern im Prachkleid, zwei Schwarzkopfmöwen, einer Trauerseeschwalbe auch einen Kuhreiher beobachten, den Jakob zuerst zwischen den Inseln entdeckte, ehe er sich ausgiebig auf Pfosten und Sandbänken präsentierte.
Als sich der Regen am späteren Nachmittag gelegt hatte, entschieden wir uns, unser Gepäck in unsere Unterkunft in Orges ob Yverdon-les-Bains zu bringen. Eine erstaunlich anstrengende Velofahrt auf ein Plateau der Juraabhänge brachte uns zum schön gelegenen Bauernhof „Bois du Fey“, wo wir im Stroh unser Lager beziehen konnten. Bald darauf brausten wir auf unsern Fahrrädern die Abhänge nach Yverdon hinab, um die meist produktiven Abendstunden an der Mujon zu verbringen und die Nachzügler Dennis und Dominic abzuholen, die unsere kleine Gruppe vervollständigen würden. Diese chers compatriotes trafen kurz vor neun Uhr ein, konnten im Gebiet aber auch keine zusätzlichen Arten mehr ausmachen. Als komplette Gruppe kämpften wir uns wieder die Abhänge empor und mussten unsere Schlafräumlichkeiten zuerst mal mit einer ordentlichen Strohschlacht einweihen, wobei sich ausgerechnet „unser Jüngster“ in erwachsener Zurückhaltung übte und das Geschehen zwar mit einem „chindisch“ quittierte, aber immerhin einige Fotos schoss.



Gut ersichtlich wird anhand dieses wieder mal die Unstürzbarkeit des Kastens Dennis (vgl. Fussballspiel Realp…), den Dominic und Patrick in verzweifelten Attacken um keinen Meter zu verschieben vermochten.

Tag 2, 11. August
Es hiess früh aufstehen für die chers compatriotes, denn die in zehn Kilometern Entfernung gelegenen Trockenhänge von Onnens standen auf dem Programm. Nach der morgendlichen Ertüchtigung auf dem Velo zogen dort insbesondere mehrere Familien Neuntöter und ein einzelner Wendehals unsere Aufmerksamkeit auf sich. Auf dem Rückweg konnte wir neben Rehen und Geldstücken auf der Strasse auch einen Kolkraben feststellen. Nachdem wir uns ausgiebig am Frühstücksbuffet gelabt und eine ausgedehnte Morgenruhe abgehalten hatten, begaben wir uns erneut nach Yverdon, wo wir bis zum Eindunkeln blieben und u.a. Grünschenkel, einen Zwergstrandläufer, eine juvenile Sturmmöwe und als Tageshöhepunkt einen Steinwälzer im Prachtkleid zur Tages- resp. Exkursionsliste hinzufügen konnten. In den Abendstunden kam vorerst nur als hypothetische Idee der Vorschlag auf, die bekannten Rauhfusskauzplätze um Ste. Croix aufzusuchen, in der Hoffnung, diese Art könnte trotz unpassender Jahreszeit zu hören sein. Unter dem Eindruck stetigen Quengelns einer gewissen Person (;-)) und des in jedem Natrixler tief verwurzelten Abenteuerdrangs entschieden wir uns schlussendlich, den 22-Uhr-Zug à destination de Sainte-Croix zu besteigen. Unter einem beeindruckenden Sternenhimmel (Luftverschmutzung in anderen Landesteilen lässt grüssen) radelten wir ins Kerngebiet von Rauhfusskauz & Co., bekamen aber ausser Rascheln und einigen Sternschnuppen nichts zu hören oder zu sehen. Nichtsdestotrotz lohnte sich die nächtliche Exkursion, kamen wir auf dem komplett mit den Velos zurückgelegten Rückweg nach Orges um Mitternacht doch in den Genuss von autofreien Strassen und dem erfrischenden Hinabsausen (500 Höhenmeter bergab) ins Tal.

Tag 3, 12. August
Nach der Spontanexkursion der vergangenen Nacht gingen wir es diesen Morgen gemächlicher an und packten nach dem Frühstück allmählich zusammen und statteten der Mujon vor der Weiterfahrt ins Fanel einen vorerst letzten Besuch ab. Der Steinwälzer des Vortages war noch stets zugegen, und auch sonst hatte sich die Artzusammensetzung nur unmerklich verändert. Gerade als wir uns auf unsere Sättel schwingen wollten, um die Fahrt entlang des Südufers des Neuenburgersees unter die Räder zu nehmen, zogen zehn über der Bucht umher fliegende weiss-schwarze Vögel unsere Aufmerksamkeit auf sich. Bei näherer Betrachtung stellten sich diese als Säbelschnäbler heraus. Abgesehen von der Seltenheit dieser Art auf dem Herbstzug überraschte insbesondere die Truppgrösse, handelte es sich hierbei dann auch um den mit Abstand grössten Trupp in der Schweiz in diesem Jahr (vgl. ornitho.ch). Leider konnten sich die Vögel nicht zu einer Landung entschliessen und zogen nach einigen Runden wieder ab. Nach dieser tollen Beobachtung hiess es dann aber definitiv in die Pedale zu treten, lagen doch bis ins Fanel einige Kilometer vor uns. Via Yvonand und dem malerischen Flecken Estavayer-le-Lac ging es Strassen und dem See entlang, über Wiesen und Felder und durch Auenwälder nach Chevroux, wo wir uns an einem Fruchtstand mit süssem Proviant versorgten und im nahe gelegenen village lacustre den Badefreuden frönten. Eine Schlammschlacht und das obligate Irrenfoto durften unter keinen Umständen fehlen.



Ab alle dem ging die Zeit etwas in Vergessenheit, und als wir uns zur Mantelmöwesuche nach Portalban begaben, war klar, dass ein Teil der Gruppe mehr oder weniger direkt weiterfahren müsste, um den Einkauf und den Fanelhausschlüssel zu besorgen. Patrick und Dominic trennten sich deshalb von Dennis und Jakob, der die grosse Möwe noch nie zu Gesicht bekommen hatte, und setzten den Weg gen Nordosten fort. Verpassen würden sie nichts – die Mantelmöwe zeigte sich an diesem Abend nicht mehr. Vom Radfahren und Schwimmen, sicherlich aber auch von der starken Sonne erschöpft unternahm die Gruppe am Abend im Fanelhaus abgesehen vom Spinnen einer abstrusen Geschichte mit Jakob, dem Papst oder Rotmilan Sirius in den Hauptrollen nicht mehr viel und legte sich bald schlafen.

Tag 4, 13. August
Das ausgiebige Frühstück wurde kurzzeitig vom Besuch eines ALA-Betreuers (?) unterbrochen, der sich in einer wohl nur Bernern eigenen Ruhe Eingang ins Haus verschaffte und den etwas verdutzten compatriotes den Tipp gab, am Abend den Berner Turm aufzusuchen, da Limikolen und Kuhreiher aufgrund fehlender Sandbänke auf den Seeschwalbenplattformen die Nacht verbrächten. Zumindest mit der Information bezüglich des hohen Wasserstandes sollte er Recht behalten, und so konnten wir während des Tages hindurch im Fanel und im Chablais de Cudrefin einzig Seidenreiher, Graugans, Zwergdommel (Paar vor dem Pavillon) und Bartmeise als nennenswerte Neuzugänge auf unserer Exkursionsliste verzeichnen. Nach einem schmackhaften Abendmahl versuchte Jakob nochmals erfolglos sein Mantelmöwenglück in Portalban, während Dennis, Dominic und Patrick in Hoffnung auf die oben erwähnten Limikolen und Reiher dem Berner Turm einen Besuch abstatteten. Abgesehen von einer eindrucksvollen Flugschau der lokalen Kormorane in der Abenddämmerung und acht Silberreihern, die sich auf einigen Schlafbäumen sammelten, herrschte aber auch hier gähnende Leere, und bei Schokocrème und dem Flügelrauschen tausender Eintags(?)fliegen fassten wir den Entscheid, das Gebiet am morgigen Tag nach der Reinigung des Hauses zu verlassen und einen weiteren Tag in Yverdon-les-Bains zu verbringen.



Die Gemeinschaftsgeschichte dieses Abends konnte punkto Abstrusität trotz verkleinerter Personenpalette (diesmal inkl. Harry Potter, Dumbledore und Voldemort) locker mit derjenigen des Vortages mithalten.

Tag 5, 14. August
Nach der Reinigung des Fanelhauses und der Bahnfahrt entlang der Gestade des Neuenburgersees waren wir um 12 Uhr wieder an der Mujon. Erneut trafen wir ein ähnliches Bild wie bei unserem letzten Besuch an: der adulte Steinwälzer sowie das übliche Minimalinventar der Bucht machten nicht gerade Hoffnung auf einen artenreichen Nachmittag. Der Mittagshitze zum Trotz setzten aber ab 14 Uhr ein Kiebitzregenpfeifer im noch vollständigen Prachtkleid, mind. ein Regenbrachvogel, mind. 11 Grünschenkel, eine Raubseeschwalbe, ein zweiter, diesjähriger Steinwälzer sowie in den Abendstunden beachtliche fünf Schwarzkopfmöwen und 15 Brandgänse die letzten Höhepunkte der Tour de Romandie.



Um 20 Uhr bestiegen wir den Zug nach Zürich und ostgewandten Orten, was sich in der Kombination ICN und Veloselbstverlad wie immer etwas mühselig gestaltete. Mit frisch im Zug angerührter Schokolademilch schlossen wir die trotz Ausbleiben eines „Megas“ sehr erfolgreiche Tour zufrieden ab und freuen uns auf den nächsten längeren Aufenthalt am Neuenburgersee.

Dank
Unser Dank geht an folgende Personen und Begriffe, die unter den chers compatriotes stets für ausgelassene Stimmung sorgten:
Karl und seinem alveolaren Vibranten [r], der Yverdonaise mit einem ungeheuren Fundus an deutschen Schimpfworten (spezielle Beachtung verdient „duum, duum!“), Marco (2x), dem Käseerzeugnis Kiri-Kiri, Mazi, Brigitte, dem Deutschschweizer Bauernpaar auf Bois du Fey, das nur in französischer Sprache mit uns kommunizierte, der Modalpartikel aber (insbesondere in Ostschweizer und stark labialer Lautung: [ab’ɐ]), Uriella und dem Rudel rauchender Rallenreiher.

Text: Patrick Mächler
Bilder: alle Jakob Hochuli, ausser NE-See in Abenddämmerung (Patrick Mächler)