Traditionellerweise führt die Jugendgruppe Natrix jeweils
über Auffahrt ein Beobachtungslager durch – so auch dieses Jahr. Im Frühling
jedes Schaltjahrs wird der Wasserstand am Genfersee um 90 Zentimeter statt den üblichen
60 Zentimetern abgesenkt. Dadurch zeigten sich bei den Naturschutzgebieten Grangettes
und Préverenges riesige Schlickflächen, die gerne von Limikolen als
Rastmöglichkeit genutzt werden. Da wir diese günstigen Beobachtungsbedingungen
nutzen wollten, verbrachten wir dieses Jahr die ersten zwei Tage des Auffahrtslagers
am Genfersee. Am dritten Tag ging es dann weiter ins legendäre Fanel, wo wir
traditionell jedes Frühjahr zu Gast sind. Wir wünschen viel Lesespass!
Erster Tag - Donnerstag, 5. Mai
Um 9 Uhr stiegen wir in den Zug Richtung Morges.
Unterwegs stießen dann noch Linus und Flurin zu uns. In Morges angekommen
nahmen wir den Bus in Richtung Préverenges. Auf der Île de Préverenges, einer künstlichen Kiesinsel im Genfersee, konnten wir unter anderem Temminckstrandläufer,
Flussuferläufer, Grünschenkel und Flussregenpfeifer beobachten.
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Aktives... |
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... und weniger aktives Beobachten in Préverenges. |
Von da aus ging
es mit dem Bus nach Renens, wo wir den Zug nach Villeneuve nahmen. Von dort aus mussten wir dreiviertel Stunden
zum Campingplatz laufen, sehr zum Missfallen einiger Teilnehmer. Auf dem Campingplatz waren unsere Zelte zu unserem
Erstaunen schon aufgestellt. Nach dem Einrichten der Zelte gingen wir alle auf
den Damm, wo wir Arten wie Brandgans, Seidenreiher und Eiderente beobachteten.
Nach der Rückkehr gab es im Restaurant Abendessen, welches aus Salat und Spaghetti bestand. Nachdem wir dieses deliziöse Mahl zu
uns genommen haben, haben wir zwei Gruppen gebildet. Die einen gingen mit
Nikolai, der während des Essens eingetroffen war, „Guetsli-Birden“ auf dem Damm (für
jede Grasmücke gab es ein Guetsli), während die anderen nach Chez Bonnet
gingen, wo allerdings nichts Spannendes zu beobachten war. Als wegen der
Dunkelheit allmählich nichts mehr zu sehen war, verabschiedeten wir uns von
Nikolai, der wieder zurück in seine WG in Lausanne fuhr, und legten uns schlafen. Die Nacht sollte ziemlich kalt werden. Wer einen warmen Schlafsack
dabei hatte, war also im Vorteil…
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Le crépuscule tombe sur les Grangettes. |
Text: Lukas & Linus
Zweiter Tag - Freitag, 6. Mai
Nach dem Frühstück suchten wir die Felder in der Nähe des
Campingplatzes ab, bekamen aber leider nichts Spezielles zu Gesicht. Alsbald gingen wir zum Damm. Auf dem Weg hörten wir ein Schwarzkehlchen und einen
Drosselrohrsänger. Vorne angekommen waren da die klassischen Wasservögel wie
Flussseeschwalben, Mittelmeermöwe und Haubentaucher. Etwas überraschend sahen
wir eine Schellente, die bei uns eigentlich vor allem ein Wintergast ist. Ein
Teil unserer Gruppe war zurückgeblieben und benachrichtigte uns per Telefon
über einen möglichen Iberienzilpzalp. Im Affentempo eilten alle zu der
Stelle, wo uns der kleine Singvogel seinen Gesang vortrug. Dennis nahm den
Gesang mit seinem Aufnahmegerät auf. Es stellte sich mit der Zeit aber heraus,
dass es sich „nur“ um einen Zilpzalp mit Mischgesang handelte, da er nie den
astreinen Gesang des Iberienzilpzalps zeigte. Nach dieser interessanten
Beobachtung und von der starken Sonne etwas ermüdet, gingen wir zum
Campingplatz zurück und spielten Pingpong oder ruhten uns aus.
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Sleep, eat, go birding... and play ping pong! |
Nach vielen
rasanten Runden Pingpong, erholsamem Schlaf und sonstigem lustigem Zeitvertreib gingen wir gegen Abend wieder ins Feld. Die einen gingen nach Chez
Bonnet, während die anderen vom Damm aus nach Raritäten suchten. In Chez Bonnet
war ausser Schafstelze, Seidenreiher und Knäkente kaum etwas zu sehen.
Allerdings trafen wir auf Mathieu, der uns Fotos von einem unbestimmten, nach
Bairdstrandläufer aussehenden Strandläufer zeigte. Nach minutenlangem Suchen
flog der Vogel dann plötzlich wieder vom nicht einsehbaren Bereich hinter dem
Schilf hervor und stocherte etwa 200 Meter entfernt nach Nahrung. Die
Bestimmung des mysteriösen und möglicherweise aus Nordamerika stammenden
Strandläufers war ein scheinbar unmögliches Unterfangen – das Einzige, was wir
tun konnten, war viele Fotos vom Vogel anzufertigen. Nach etwa einer halben Stunde
Beobachtungszeit flog der Vogel allerdings wieder davon.
Nach dieser wirklich außergewöhnlichen Beobachtung gingen
wir ins Restaurant, wo uns eine feine Rösti zum Znacht erwartete. Wir aßen
ziemlich schnell, wollten wir doch danach wieder den Strandläufer suchen gehen.
Wir eilten mit Fernrohr und Fotoausrüstung zum Beobachtungsturm, wo wir
allerdings nicht fündig wurden. Dafür kreuzte zu unserer Überraschung ein Biber
auf, der im Wasser eine Runde drehte und sich ausgezeichnet beobachten ließ.
Der Strandläufer entzog sich an diesem Abend weiterhin einer sicheren Bestimmung, wir vermuten aber immer noch den Bairdstrandläufer, was
übrigens ein Erstnachweis für die Schweiz wäre! Die besten Ornithologen aus der Schweiz und ganz Europa sowie einige aus den USA befassen sich nun mit der Bestimmung des Vogels anhand der Fotos. Wir sind gespannt, zu welchem Urteil sie gelangen...
Text: Leon, Levi & Benjamin
Dritter Tag - Samstag, 7. Mai
In aller Hergottsfrühe klingelte der Wecker und alle standen
auf, da wir den mysteriösen Strandläufer natürlich unbedingt nochmals sehen und
auf keinen Fall verpassen wollten. Trotz intensiver Suche konnten wir ihn aber
nicht mehr finden. Auf dem Rückweg zum Zmorgenbuffet sahen Levi und Merlin, die
sich etwas länger Zeit gelassen hatten, eine Zitronenstelze, die von Mathieu
entdeckt worden war. Alle anderen waren schon beim Frühstück. Bis diese wieder nach
Chez Bonnet zurückgerannt waren, war die Zitronenstelze allerdings schon wieder
verschwunden und so konnten nur zwei von uns einen Blick von dieser sehr
seltenen Art erhaschen. Zurück beim Campingplatz konnten wir dann endlich unser
verdientes Frühstück essen – waren wir doch schon seit 5.00 Uhr und damit vier
Stunden auf den Beinen. Nach dem Frühstück packten wir alle sieben Sachen und
machten uns auf den anstrengenden Weg vom Campingplatz nach Villeneuve. Von
dort fuhren wir mit dem Zug via Lausanne, Yverdon und Neuchâtel nach Ins,
wo wir unsere Velos abholten und dann sogleich weiter in Richtung Fanel
radelten. Auf dem Weg vom Bahnhof Ins zum Fanelhaus konnten wir mitten in einem
Rapsfeld (!) eine schöne männliche Pfuhlschnepfe im Prachtkleid beobachten.
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Verdient definitiv das Natrixprädikat "özzig": der Rastplatz der Pfuhlschnepfe mitten in einem Rapsfeld! Foto: Patrick Mächler. |
Am Morgen
hatten wir noch gefroren, aber nun war es so heiß, dass uns nichts Anderes
übrig blieb, als im Schatten zu pausieren. Flurin und Merlin flickten unter
grosser Anstrengung Flurins Velo, während die anderen auf den Berner Turm
gingen. Viel gab es aber nicht zu sehen. Die Meldung einer Zwergseeschwalbe im
Chablais de Cudrefin veranlasste uns zum baldigen Aufbruch. Flurins Velo war zwar auf dem
Hinterrad wieder fit, nun gesellte sich zum Loch am Hinterrad aber auch noch
ein Loch am Vorderreifen dazu. So musste Flurin mit Merlins Gepäckträger
vorlieb nehmen. Im Chablais de Cudrefin präsentierte sich die Zwergseeschwalbe
schön auf den Pfosten der ersten Reihe sitzend.
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Eine unglaublich putzige Zwergseeschwalbe (trotz des Schilfs davor). Foto: Patrick Mächler. |
Weiter gab es noch Mittelsäger, Zwergmöwe, Steppenmöwe und Trauerseeschwalbe zu bewundern. Leider
konnten wir weder die Präriemöwe, die am Donnerstag das letzte Mal gesehen
wurde (2. Nachweis für die Schweiz), noch eine erhoffte Weissflügelseeschwalbe beobachten.
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Steppen- statt Präriemöwe: eine eher spätes Exemplar im zweiten Kalenderjahr. Foto: Patrick Mächler. |
Auf dem Rückweg sahen wir (im wunderschönen Sonnenuntergangslicht) dafür noch eine Wanderratte, die sich an einem toten
Fisch verköstigte und sich von unseren Blicken nicht stören ließ. Beim Schilf
präsentierten sich zwei Bartmeisen sehr schön.
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Romantiker mussten bei diesem Anblick nur den Duft von verwesendem Fisch sowie das Geschmatze und Genage der Wanderratte im Hintergrund ausblenden, und schon war das Leben perfekt ;-) Foto: Patrick Mächler. |
Alle hatten einen Bärenhunger und
konnten den Risotto gar nicht erwarten. Patrick verabschiedete sich wieder von
uns, der für einen Tag mit uns unterwegs gewesen war. Im Fanelhaus gab es schließlich nach etwa einer halben Stunde den heißersehnten Risotto. Alle
stürzten sich sofort darauf. Zum Glück wurde genügend gekocht, so dass auch
wirklich alle Mägen adäquat versorgt werden konnten. Danach gingen wir
schlafen, was uns nach diesem langen und heissen Tag wirklich nicht schwerfiel ;-)
Text: Flurin
Vierter Tag – Sonntag, 8. Mai
Die unentwegten Frühaufsteher Benjamin, Lukas, Ruben, Linus
und Leon hatten keine Probleme, als der Wecker um 4.45 Uhr in der Früh
klingelte. Die anderen schon eher. Während Flurin, Levi, Elias, Alina und Merlin
eine Stunde später folgten, nahm der Rest mit dem warmen und kuschligen Bett
vorlieb… ;-)
Im Chablais de Cudrefin waren in der Früh unter anderem zwei Kuhreiher zu beobachten. Ebenfalls speziell war ein Trupp von
mindestens 80 Trauerseeschwalben. Nebst den üblichen Arten wie zum Beispiel
Rohrschwirl gab es nichts Neues mehr zu sehen. Als die Mägen der Frühaufsteher
langsam zu knurren begannen, war es an der Zeit, zurückzugehen. Im Fanelhaus
waren die andern gerade erst aufgestanden. So mussten die Frühaufsteher den
Zopf in den Ofen schieben. Als der Tisch gedeckt und alle Schlafmützen geweckt waren, war auch der Zopf soweit und wir konnten zmörgelen. Frisch
gebackener und noch warmer Zopf, Schweizer Blütenhonig und Milch mit Cornflakes
– was will man mehr?
Danach kam der etwas anstrengendere Teil, das Putzen und
Packen. Dieser Prozess sollte dieses Jahr länger dauern als auch schon… Ob die
heißen Temperaturen, die einige anstatt vom Putzen abhielten und stattdessen wie lampige Salatblätter
im Gras rumliegen ließen, oder der mangelnde Schlaf die Ursache waren, konnte
nicht abschliessen eruiert werden. Fakt ist: Es gibt noch Luft nach oben! ;-)
Nach dem obligatorischen Gruppenfoto schwangen wir uns auf
die Sättel, um zurück zum Bahnhof Ins zu radeln. Bei der Fruchtschüür, wo wir im
Schatten und im Stroh unseren Zmittag aßen, konnten wir noch drei schöne
Neuntöter, eine aus voller Kehle singende Dorngrasmücke, einen Steinschmätzer
sowie mehrere Grauammern beobachten. Danach ging es weiter nach Ins, wo wir
unsere Velos am Bahnhof wieder nach Hause zurückschickten, bevor wir selber in
den Zug einstiegen und nach Hause fuhren.
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Freuen sich schon auf eine Neuauflage im kommenden Jahr: die Teilnehmer des Auffahrtslagers 2016 beim Fanelhaus. |
Zu Ende ging ein tolles und erfolgreiches Lager, bei dem 137
Vogelarten sowie ein möglicher Bairdstrandläufer beobachtet werden konnten. Die
nächste Woche hatten wohl alle ein Schlafmanko aufzuholen. Leon, Ruben, Levi und
Merlin machten am Abend noch einen leider erfolglosen Ausflug ins aargauische
Mühlau, wo am Mittag noch zwei Rotflügelbrachschwalben anwesend waren. Gerade
die beiden Appenzeller waren deshalb erst gegen 23.00 Uhr zu Hause…
Text: Merlin
Fotos ohne Vermerk des Fotografen: Merlin
Hochreutener.