Sonntag, 5. Oktober 2014

EuroBirdwatch und Arbeitseinsatz auf den Hegmatten

Seit 1993 findet in den meisten Ländern Europas am ersten Oktoberwochenende der sogenannte EuroBirdwatch statt. An verschiedenen für die Zugvogelbeobachtung besonders geeigneten Standorten werden die durchziehenden Arten von lokalen Vereinen gezählt und der Bevölkerung das Phänomen Vogelzug durch Vogelbeobachtung vor Ort und Infomaterial nähergebracht. Diese Öffentlichkeitsarbeit zielt u.a. darauf ab, auch bei Nicht-Ornithologen ein Bewusstsein dafür zu wecken, wie stark Zugvögel auf ihren Wanderungen durch menschenverursachte Umweltveränderungen beeinträchtigt werden. Diese Veränderungen können sowohl globaler (Klimaerwärmung) als auch lokaler (Zerstörung von Rastgebieten) Natur sein.

Wie schon im Vorjahr hatte sich die Natrix angesichts dieser Zielsetzung des EuroBirdwatch vorgenommen, nicht nur Passanten zu informieren und die genaue Anzahl durchziehender Buchfinken und Mäusebussarde zu ermitteln, sondern auch vor den Augen eben dieser Passanten etwas für den Erhalt eines wertvollen Rastgebiets - nämlich "unseres" Naturschutzgebiets auf den Winterthurer Hegmatten - zu tun. Dort galt es nach dem Mähen an den Vortagen mächtig Hand anzulegen: Jede Menge Schnittgut musste aus der Riedfläche, die sich an einen teils sanft abfallenden, teils etwas abschüssigen Abhang schmiegt und daher mit Gefährten kaum zugänglich ist, zum Abtransport durch die Stadtgärtnerei an die Ränder des Gebiets gerecht, getragen und geschleppt werden.

Nach der Ankunft einer ansehnlichen Gruppe Natrixler am Südwestende des Gebiets begutachteten wir zuerst einmal eingehend den Stand mit allerlei Anschauungsmaterial, den Gebietsbetreuer Dennis schon errichtet hatte. Eine erste Rechengruppe machte sich bald darauf auf zum anderen Ende und begann mit der Arbeit. Beim Stand wurden die ersten durchziehenden Vögel registriert und Flurin mit der ehrenvollen Aufgabe der Logführung betraut. Wie man sieht, brachte er dieser Aufgabe den angebrachten Respekt entgegen:

"... und noch zwei Feldlerchen." - Flurin bei der Arbeit.
Lange konnten die Recher aber nicht wirken und auch mit dem geruhsamen Erfassen der Zugvögel war schon bald Schluss - die Kunde von einer möglichen Wachtel auf einem Acker direkt neben dem Weg lockte nämlich alle vom Schnittgut resp. dem Stand weg. Zuerst liess sich sich der Verdacht aber nicht erhärten:

Ratlos-suchende Gesichter in der morgendlichen Oktoberlandschaft.

Aber wir blieben geduldig und warteten:

Foto: Jonas Landolt.
Und siehe da, was kaum jemand für möglich gehalten hätte, wurde Realität: die Sichtbeobachtung einer Wachtel am Rande der zweitgrössten Stadt des Kantons!

Foto: Jonas Landolt.
Nachdem sie sich anfänglich geziert und nur ihren Kopf zum Vorschein hatte kommen lassen, präsentierte sie sich nach einer Weile völlig frei. Meo gelang in der Folge (in gewohnter digiskopierender Manier!) das folgende prächtige Bild des einzigen Langstreckenziehers unter den europäischen Hühnervögeln:

So schön hatte zuvor noch niemand von uns in der Schweiz eine Wachtel gesehen!
Foto: Meo Sauter.
Mit der Vermutung, dass diese Beobachtung an diesem Tag nur schwer zu überbieten sein dürfte, kehrten wir später an den Stand resp. die Rechenstiele zurück. Obschon wir nicht dieselbe Menge an Zugvögeln wie im Vorjahr feststellen konnten, war die Luft unter- und oberhalb der dicken Hochnebeldecke erfüllt mit allerlei Finken, Piepern und Feldlerchen. 

Im Laufe des Mittags tauchte die Sonne auf, was zwar die Vitamin-D-Produktion anregte, unsere teils etwas klammen Hände erfreute und uns mehr Spaziergänger einbrachte, den Kleinvogelzug aber abzustellen schien. Nach dem Zmittag stellte sich daher bei denjenigen, die den Stand betreuten, etwas Langeweile ein. Dem begegneten wir mit einem "Richtig-oder-falsch"-Spiel (auch bekannt als Wanderfalken-Tauben-Spiel) auf dem Feldweg oberhalb des Gebietes, bei dem man sein Wissen über Zugstrategien und vieles mehr unter Beweis stellen konnte. Dazwischen konnten wir als erfreuliche Abwechslung zu Wiesenpieper und Rabenkrähe zwei Sperber auf unserer Liste eintragen.

Währenddessen begannen sich an den Gebietsrändern dank vieler fleissiger Hände die Schilfhaufen zu türmen:

Bereit für den Abtransport durch die Winterthur Stadtgärtnerei.
Um ca. 15 Uhr tat sich zu unserem Erstaunen nochmals etwas an der Zugfront: Mäusebussarde zogen in grösserer Zahl über die Hegmatten, zuerst nur einzeln oder zu zweit, zum Abschluss aber gleich in einem Trupp von mindestens 19 Individuen!

Als wir um 15.30 Uhr mit dem Auf- und Abräumen begannen und uns für den Marsch zurück an den Bahnhof Oberwinterthur bereitmachten, konnte Dennis nach einem Blick auf die Liste eine erste Bilanz ziehen: Über 700 Vögel konnten im Laufe des Tages festgestellt werden, wobei überraschenderweise der Wiesenpieper mit 85 Individuen zuoberst auf der Liste der häufigsten Arten figurierte. Nach der endgültigen Auszählung am Abend konnte Dennis dem SVS 721 registrierte Vögel melden - ein im Vergleich zum Vorjahr zwar mageres Resultat (1724 Vögel, wovon 672 Buchfinken!), das sich aber mit Blick auf die anderen Standorte 2014 sehen lassen kann. Die diesjährigen Resultate aus der ganzen Schweiz findest du übrigens hier: http://www.birdlife.ch/ebw14/index.php/de/resultate-2014

Wir danken allen Kindern (und natürlich auch Vater Thomas) fürs Anpacken im Ried und Dennis für die gesamte Organisation, die nebst dem Herbeischaffen von Werkzeug auch die Planung und den Aufbau des Standes mit viel Bildmaterial beinhaltete und dementsprechend aufwändig war. 

Nächstes Jahr werden wir voraussichtlich wieder am EuroBirdwatch mitmachen - wie viele Vögel wir wohl dann sehen werden?

Bericht und Bilder ohne Vermerk des Fotografen: Patrick Mächler.